Interview: Was genau macht, kann und soll ein Finanzcoach – und was nicht?
Interview: Was genau macht, kann und soll ein Finanzcoach – und was nicht?

Interview: Was genau macht, kann und soll ein Finanzcoach – und was nicht?

Bankberater, Finfluencer, Vermögensberater, Honorarberater, Finanzcoachs: Wer seine Finanzen auf die Reihe bekommen möchte, hat jede Menge Möglichkeiten, sich an die Hand nehmen zu lassen. Das kostet mal mehr, mal weniger Geld – und bringt mal mehr, mal weniger Mehrwerte.

Rund um finanziellen Support gibt es kaum transparente Bewertungskriterien, an denen man erkennt, ob man gerade auf die richtige Person bzw. Beratungsleistung setzt. Oder weißt Du, woher z B. ein Honorarberater sein Finanzwissen bekommt?

Nachdem die (ungeschützte) Bezeichnung „Coach“ in Deutschland kaum schwammiger sein könnte, hat es mich brennend interessiert:

  • was genau eigentlich ein Finanzcoach ist,
  • für wen ein Finanzcoach geeignet ist
  • und wie die Ausbildung eines Finanzcoachs ausschaut

Daria, die Du vielleicht noch von unserem gemeinsamen Interview kennst, durchläuft aktuell eine Ausbildung zum Finanzcoach. Und sie stand mir Rede und Antwort, um bei all diesen Punkten Licht ins Dunkel zu bringen.

Also – starten wir doch erstmal mit einer kleinen Vorstellungsrunde, bevor es rund um Finanzcoaches ans Eingemachte geht.

Daria – angehende Finanzcoachin und der Kopf hinter moneysisters.de

Liebe Daria, stell Dich bitte kurz vor.

Ich heiße Daria, bin 39 Jahre alt, gebürtige Polin und lebe seit meinem 3. Lebensjahr in Berlin (bis auf einen 3-Jahres-Abstecher nach Stuttgart). Ich habe zwei Töchter, 10 und 8 Jahre alt, und bin seit 2018 alleinerziehend. Ich arbeite in einer Festanstellung als UX Consultant und neben meinem Projekt www.moneysisters.de bin ich auf dem Weg zur zertifizierten Finanzcoachin.

Was ist Dein finanzieller Background?

Ich komme aus relativ schwierigen Verhältnissen. Mein Vater war narzisstischer Alkoholiker und in seinen „Saufphasen“ arbeitete er nicht, warf das Geld aus dem Fenster für Nonsense und versteckte Rechnungen bis der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand. Meine Mutter kämpfte mit schlaflosen Nächten und mit ihrem Verdienst als Buchhalterin musste sie uns meistens allein versorgen. Als wir von meinem Vater wegzogen sind, hielten die finanziellen Probleme an, da meine Mutter keine Jobs fand und mit schlecht bezahlten Arbeitsmaßnahmen vertröstet wurde. Als sie Hartz IV bekommen musste hatten wir Glück, weil ich ein Studium in Stuttgart begann und sie nach Kanada zu ihrer großen Liebe ging.

Wie kamst Du zu einer Ausbildung zum Finanzcoach?

Nach der Trennung von meinem Ehemann stand ich vor der Herausforderung, mich das erste Mal intensiv mit meinen Finanzen beschäftigen zu müssen. Das hat bei mir einen lebensumkrempelnden Prozess ausgelöst. Das wollte ich unbedingt anderen Frauen nahe bringen und sie bei ihrer finanziellen Reise unterstützen. Seit einigen Jahren engagiere ich mich nun zum Thema Frauen und Finanzen. Ich habe Meetups gehostet, mein Projekt Moneysisters gegründet, Präsentationen gehalten und Frauen gecoacht. Alles meistens ehrenamtlich. Da ich keinen „professionellen“ Background habe, fühlte ich mich damit unwohl, Geld für meine Dienste zu nehmen (hängt mit einem ungünstigen Glaubenssatz zusammen).
Dann hörte ich den Podcast „How I Met My Money“, in dem Monika Müller Gästin war. Sie ist Finanzpsychologin und bietet eine Finanzcoaching-Ausbildung an. Es hat sofort „Klick“ gemacht! Das war, was ich wollte! Ich habe rund 2 Jahre mit mir gerungen, bis ich dann doch das Geld in die Hand genommen habe für die Ausbildung. Nun bin ich seit Oktober 2022 mittendrin und sehr glücklich über diese Entscheidung.

Einer meiner Broker, die ich aktiv im Einsatz habe.*

Was genau macht ein Finanzcoach?

Die unattraktivste Beschreibung ist, dass ein Coaching Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. Im Finanzcoaching speziell werde ich meine Coachees dazu befähigen, Lösungen für ihre Finanzentscheidungen zu finden.
Ich bemerkte nämlich oft, dass die meisten Frauen WISSEN, wie sie sich um ihre finanzielle Situation besser kümmern könnten. Sie MÖCHTEN es auch. Innere Hindernisse blockieren sie jedoch dabei. Diese aufzudecken und aufzulösen, damit sie auch Selbstwirksamkeit erfahren, ist mein Bestreben. Diese innere Entfaltung bei meinen Coachees begleiten und erleben zu dürfen macht mich unfassbar glücklich. Es ist also definitiv nicht selbstlos
.

Und was macht ein Finanzcoach nicht?

Finanzprodukte empfehlen und zu einem konkreten finanziellen Weg „beraten“. Es gibt viele Berater, die sich „Coach“ schimpfen. Diese Leute erklären dir womöglich, wie das mit dem Vermögensaufbau und den ETFs funktioniert. Vielleicht vermitteln sie auch Finanzbildung. Im eigentlichen Sinne coachen sie aber nicht konkret. Die Berufsbezeichnung „Coach:in“ ist nicht geschützt und jeder kann sich so bezeichnen. Das birgt Chancen und Risiken. Ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann, diesbezüglich eine gewissen Awareness in der Differenzierung zu schaffen.

Wo sind die Unterschiede zur klassischen Honorarberatung, zur Vermögensberatung und Finanzcoaching?

Ganz grob beschrieben schaut sich die Honorarberatung für gewöhnlich deinen Status Quo an und passt an deine Bedürfnisse und Ziele die entsprechenden Produkte oder das Portfolio an. Sie erhalten für ihre Leistung ein Honorar und keine Provision von Produktanbietern. Anders ist es bei den meisten Vermögens- oder Finanzberatungen, die kein Honorar erhalten und somit erstmal „günstiger“ erscheinen, aber dafür Provision von Versicherungs- und sonstigen Gesellschaften erhalten. Du spürst die Kosten nicht direkt und die Berater werden mit Servicepauschalen und anderen versteckten Kosten bezahlt.

Finanzcoaching begleitet dich zu deiner richtigen Finanzentscheidung. Das kann zum Beispiel mit der Ermittlung deiner Risikobereitschaft einhergehen, die wir in der Ausbildung intensiv durchnehmen. Beispielhafte Szenarien sind: Du erhältst ein Erbe und kannst dich nicht dazu durchringen, dieses in Anspruch zu nehmen. Du kannst dich mit deinem:r Partner:in nicht einigen, wie ihr euer Erspartes investieren möchtet. Da kann ein:e Finanzcoach:in tätig werden und unterstützen.
Kurz zusammenfassend: Im Finanzcoaching wird dir nichts verkauft, sondern du wirst befähigt, eine fundierte und nachhaltige Finanzentscheidung zu treffen.

Finanzberater können übrigens auch Finanzcoaches sein. Und das sind  –  meiner bescheidenen Meinung nach – auch „die Guten“. Wenn in der Beratung Hindernisse ersichtlich werden bezüglich deiner Finanzentscheidung, gehen die Berater in die Rolle des Coaches oder bieten dir diese Leistung an, um auf deine wahren Bedürfnisse eingehen zu können. Und das ohne den Profitfokus.

Wollen – nach Deiner Erfahrung – genauso viele Frauen wie Männer Finanzcoaches werden?

Bis jetzt ist mir aufgefallen, dass die Ausbildung tatsächlich mehr Männer in Anspruch nehmen. Jedoch kommen immer mehr Frauen hinzu. Das ist eine sehr schöne Entwicklung.

Kannst Du ein bisschen mehr über die Ausbildung an sich erzählen?

Es wird viel Wert darauf gelegt, an den Seminaren in Präsenz teilzunehmen. Dafür pendele ich während der 1,5 Jahre einige Male von Berlin nach Wiesbaden. Wir lernen vom Grunde erstmal, wie die Grundprinzipien eines Coachings aussehen und welche Kernkompetenzen essenziell für die Ausübung ausgefeilt werden müssen. Ein weiterer Aspekt ist die Auseinandersetzung mit der Risikobereitschaft und der sehr große Baustein Psychodynamik von Geld. Darauf freue ich mich am meisten. Wer sich im Detail noch für diese Ausbildung interessiert, dem empfehle ich Monikas Website.

Ist die Ausbildung zum Finanzcoach eventuell eine Alternative zu den teuren Seminaren, in denen man für viel Geld lernt, wie man einen ETF kauft?

Nein. Das sollte voneinander getrennt werden. Ich bin auch der Auffassung, dass nicht viel Geld für derartiges Wissen ausgegeben werden muss. Es gibt viele hervorragende YouTube-Videos, Podcasts und Bücher in der Bibliothek, die fast for free verfügbar sind. Es ist eher die Entscheidung, die du für dich fällen musst, und die dazugehörige Einsatzbereitschaft, die du aufbringen musst, dass du das jetzt lernen willst. Finanzbildung wird uns leider nicht in der Schule vermittelt und liegt noch in der Verantwortung der Eltern oder halt bei dir selbst.

Wenn dir ein Selbststudium schwer fällt und es dir wesentlich leichter fällt, in einer Gruppe oder mit Anleitung zum Ziel zu kommen, dann mach das! In sich selbst investiertes Geld (Stichwort: Humankapital) ist das Beste und Nachhaltigste, was du machen kannst. Es gibt sehr wertige Mentorings und Kurse. Ich würde tatsächlich empfehlen, keinen günstigen reinen Onlinekurs zu buchen, sondern zu schauen, dass du mit anderen zusammen in Kontakt kommst. Sich gegenseitig unter die Arme zu greifen und dabei gleichzeitig neue Bekanntschaften mit ähnlichem Mindset zu knüpfen, ist das Gewinnbringendste, was du machen kannst.

Du hast Dich dagegen entschieden, als Finfluencer auf Instagram aktiv zu bleiben, und willst Dich stattdessen in erster Linie dem Finanzcoaching widmen. Warum?

Ganz inaktiv bin ich auch nicht auf Insta, jedoch habe ich nicht den Follower:innenwachstum im Auge. Eine generelle Sichtbarkeit über Social Media ist meines Erachtens unabdingbar bei dem Zielpublikum, das ich ansprechen möchte. Auf LinkedIn bin ich zum Beispiel in meinen zwei Rollen (UX Consultant und Finanzcoachin) gleichzeitig aktiv. Auf Instagram habe ich zwei Kanäle, wobei nur der eine einem unternehmerischen Zweck dient. TikTok boykottiere ich aus Prinzip.

Es gibt schon viele kompetente Finfluencer, die erklären, wie z. B. Vermögensaufbau funktioniert. Das Wissen ist da draußen! Wenn du es möchtest, brauchst du nur danach zu greifen! Wieso aber kommen einige nicht ins Doing!? Das ist das, was mich neugierig macht, antreibt und interessiert. Blockaden auflösen, Selbstwirksamkeit generieren, Hindernisse beseitigen beim achtsamen Umgang mit Finanzen. Wissensvermittlung finde ich als Aufgabe ab und zu auch spannend, aber das spornt mich wesentlich weniger an. Ich achte bei meinen Tätigkeiten sehr darauf, dass sie mich energetisch nicht aussaugen und belasten, sondern auch zurückfließen, weil sie mir viel Freude bereiten.

Deine Hauptzielgruppe sind Frauen. Würdest Du sagen, dass verstärkt Frauen Nachholbedarf in Sachen Finanzbildung haben?

Jein. Das haben alle. Männern wird nur ein anderer Umgang vorgelebt und gesellschaftlich wurden Schubladen kreiert, die wir nun endlich über den Haufen werfen sollten. Was Frauen tatsächlich stärker betrifft ist Altersarmut, Gender Pay Gap, Gender Pension Gap und noch vieles mehr. Ich habe zwei Töchter und ich möchte ihnen eines Tages sagen können, dass ich mich mit Haut und Haaren dafür eingesetzt habe, ihnen eine bessere Zukunft mit weniger „Gaps“ zu ermöglichen.

Wie legst Du selbst Dein Geld an?

Ich habe ein klassisches ETF-Weltportfolio. Zum Glück gibt es wieder ein bisschen Zinsen und mein Notgroschen liegt auf einem Tagesgeldkonto.

Bei Trade Republic habe ich einen guten Teil meines Aktienportfolios – und nehme die 2% Zinsen auf das Depotguthaben gerne mit*


Du bist nicht nur Finanzcoach in spe, sondern auch Mutter. Wie gehst Du bzgl. Finanzbildung bei Deinem Nachwuchs vor?

Ich rede häufig mit meinen Kindern über ihren Umgang mit ihrem Taschengeld, Konsum und Nachhaltigkeit. Wir lesen alle möglichen kindergerechten Bücher gemeinsam über Finanzen. Ich erlaube ihnen, ihr Taschengeld frei auszugeben und zu verwalten, wobei ich ihnen besonders nahelege, es zu sparen und über Ziele nachzudenken.
Die Junior Depots dienen auch als gute Gesprächsgrundlage und schon bald lege ich die ersten Konten für sie an.

Was sind Deine Top Literaturtipps für jemanden, der sich zum ersten Mal mit dem Thema Geld und Vermögensaufbau beschäftigt?

Für das Mindset und den Start:
1. Rich Dad Poor Dad: Was Reiche ihren Kindern über Geld beibringen* von Robert T. T. Kiyosaki. Ich bin beim Schluss nicht mehr ganz bei dem Autor, aber es geht um die Kernaussage des Buches und die wird hier bestens vermittelt!
2. Madame Moneypenny: Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können* von Natascha Wegelin. Ein MUST-READ für Frauen!
3. Ein Hund namens Money
* von Bodo Schäfer – eigentlich für Kinder. Erwachsenen lege ich es auch ans Herz J
4. Rente mit 40: Finanzielle Freiheit und Glück durch Frugalismus* von Florian Wagner (dieser Titel ist schlimm, jedoch habe ich es aus Neugierde und Weiterempfehlung trotzdem gelesen und kann es wirklich empfehlen!)
5. Thomas Kehl und Mona Linke: Das einzige Buch, das du über Finanzen lesen solltest: Der entspannte Weg zum Vermögen von Finanzfluss – da steht wirklich rundum alles Wichtige kompakt drin. Großes LIKE!

Wie hältst Du Dich selbst up to date rund um Deine eigenen Finanzen?

Ich folge einigen Finfluencern, gucke ab und an in die Magazine Courage oder Strive. Zudem erweitere ich meinen Horizont mit weiteren Bücher und höre Podcasts.

Gibt es noch etwas, was Du meinen Leserinnen und Lesern sagen möchtest?

Du musst nichts allein schaffen. Es gibt IMMER Menschen, die dir helfen werden, wenn du nicht weiterkommst oder ins Stocken gerätst. Zudem lohnt es sich immer, in sich selbst zu investieren! In deine Gesundheit und in deine Bildung. Und warum materielle Dinge auf vielen Ebenen weniger glücklich machen, erfahrt ihr im Buch „Konsum“*.

Vielen Dank für diese Einblicke, Daria – und viel Erfolg bei Deiner Ausbildung zur Finanzcoachin!

Hast Du schonmal ein Finanzcoaching, ein Investment-Seminar oder eine Vermögensberatung in Anspruch genommen? Wie war Deine Erfahrung damit? Lass es mich in den Kommentaren wissen!

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