Frugalismus im Alltag: wie mir eine einzige Entscheidung mehrere Monatsgehälter sparte
Frugalismus im Alltag: wie mir eine einzige Entscheidung mehrere Monatsgehälter sparte

Frugalismus im Alltag: wie mir eine einzige Entscheidung mehrere Monatsgehälter sparte

Ich hatte die Entscheidung lange auf- und vor mir hergeschoben. Klassische Prokrastination. Ein unangenehmes Thema, an dem viele Träume hingen und das dann doch von der Realität eingeholt wurde.

Es fiel mir nicht leicht. Aber am Ende siegte die Vernunft.

Im Nachhinein bin ich sehr froh über die Entscheidung. Sie war einfach goldrichtig. Und das wortwörtlich!

Schließlich verschafft sie mir auf der Stelle liquide Mittel, die ich in den kommenden Monaten investieren kann und werde. Gleichzeitig spare ich in den nächsten 10 Jahren insgesamt eine Summe von mehreren Monatsgehältern.

Nach langem Zerdenken und Abwägen habe ich es also endlich getan:

Ich habe mein Motorrad verkauft.

Im Nachhinein war es die einzige logische Konsequenz:

  • Ich fahre das Motorrad viel zu selten – unsere Freizeit-Prios haben sich einfach verschoben
  • Es kostet Versicherung, Steuern, TÜV und Benzin
  • Immer wieder braucht man neue Motorradkleidung; das sind a) kostenintensive Anschaffungen und b) aufwändige Einkäufe
  • Wenn ein Motorrad zu lange steht, steht es sich kaputt. Verschwendung!
  • Es nervt, mich um Ersatzteile, ggf. Werkstatttermine und das ganze Drumherum kümmern zu müssen
  • Außerdem haben wir extra für die Motorräder einen Stellplatz in einer Tiefgarage angemietet. Die Kosten teilen mein Freund und ich uns zwar, aber jeden Monat ärgere ich mich über die 60 Euro (bzw. 30 Euro p.P.)

So war nach einem weiteren tourenfreien Sommer deutlich: Ich gebe die Maschinen in die Stuff-Cloud (Oliver von frugalisten.de hat diese super beschrieben!), spare künftig eine Menge Zeit und Kosten und reduziere gleichzeitig dingliche Belastungen.

Die wahren Kosten von Prokrastination: Frugalismus schafft Tatsachen

Das Motorrad im Internet zu inserieren hat keine 30 Minuten Zeit gekostet und zu einem fairen Preis war ein Käufer bald gefunden. Der Besichtigungs- und Probefahrttermin hat nochmal rund eine Stunde gedauert und zu guter Letzt hat die Übergabe nochmal knappe 30 Minuten in Anspruch genommen.

Insgesamt also ein Zeitaufwand von rund 2 Stunden. Und dafür habe ich 1,5 Jahre gehadert, ob oder ob nicht?!

Wenn ich allerdings zusammenrechne, wie viel Geld ich damit auf einen Schlag spare, wird das Ausmaß dieser einen Entscheidung – ganz im Sinne des Frugalismus – nochmal deutlicher.

Ich DACHTE, das Motorrad würde Kapital in Höhe von rund 2.100 Euro binden und ich DACHTE, wenn wir keinen Tiefgaragenstellplatz mehr bräuchten, würde ich monatlich ziemlich genau 30 Euro sparen.

Und dann habe ich den ganzen Spaß einmal realistischer auf 10 Jahre hochgerechnet – sogar ohne zu berücksichtigen, dass das freie Kapital künftig investiert wird:

  • 2.150 Euro Verkaufspreis
  • 3.600 Euro Tiefgarage*
  • 1.000 Euro Versicherung*
  • 200 Euro Steuern*
  • 210 Euro TÜV*
  • 300 Euro Verschleißteile (geschätzt)
  • 630 Euro Benzin (für 10.000 km)

= 8.090 Euro Gesamtkosten für das Motorrad in den nächsten 10 Jahren

Das sind mehrere Netto-Monatsgehälter! Für etwas, das mein Leben nicht mehr richtig bereichert (vom Nachhaltigkeitsaspekt einmal ganz abgesehen …), sind 8.090 Euro einfach viel zu viel Geld.

Frugalismus: Auswirkungen einfach hochrechnen

Wenn ich heute den Verkaufspreis als Einmalzahlung sowie die nun rund 49,50 Euro monatlich gesparten Kosten als Sparplan mit 5 % jährlicher Rendite anlege …

… habe ich in 10 Jahren sanfte 10.973 Euro in der Tasche.

Frugalismus im Alltag: Erstaunliche Einsparungen mit deutlich höherem Langzeitwert
Zugegeben hat mich die Zahl überrascht. Kosten hochzurechnen lohnt sich einfach immer!

Aber warum ist die Entscheidung erst jetzt gefallen?

Bisher hatte ich jede Menge völlig emotionale Gegenargumente:

„Es ist ein schönes Hobby und macht irre Spaß.“

„Vielleicht fahren wir in Kürze ja doch mal wieder ein bisschen häufiger los, z. B. durch die französischen Balkonstraßen oder mal wieder über die Alpen oder so. (Spoiler: Nein. Wir sind nicht „mal wieder ein bisschen häufiger losgekommen“.)“

„Der Unterhalt vom Motorrad kostet ja kaum was, nur einen Bruchteil von einem Auto.“

„Ich mag die Maschine ja doch total gerne und sie hat mich sooo treu über die Alpen begleitet und dann diese eine mehrtägige Tour zum Gardasee. War das schön! Und vielleicht kommt ja mal wieder die Gelegenheit.“

Rückblickend war es ein Quatsch, widersprach jeder „Lehre“ des Frugalismus und da ich zunehmend konsequent mein Hab und Gut reduziere, habe ich mir mehrfach die folgende Frage gestellt:

Woher weiß ich, ob ich etwas behalten oder mich davon trennen soll?

Nach monatelangem Ausmisten, konkreten Erfahrungen mit einem halben Jahr Konsumfasten und mit einem zunehmend schrumpfenden Haushalt wünschte ich, jemand würde mir immer wieder die folgenden Fragen stellen …

Daher habe ich ein paar Tipps für Dich, wie Du herausfindest, ob Du Dich von einer Sache trennen solltest oder sie lieber behältst:

  1. Stellst Du Dir die Frage, ob Du Dich von einem bestimmten Ding trennen solltest?
    Dann ist alleine schon die Frage ein Indiz dafür, dass Du die Sache nicht unbedingt brauchst. Gibt es auch andere Möglichkeiten, den Bedarf zu stillen, zum Beispiel leihen oder sharen?
  2. Ist es eine monatliche Verbindlichkeit?
    Wenn ein Ding monatliche oder jährliche Kosten – auch indirekt! – verursacht, betrachte einen langfristigeren Zeitraum, um ein Gefühl für die echten Kosten zu erhalten. Einfach mal auf die durchschnittliche Ding-Lebensdauer hochrechnen! Dir läuft bei dem Betrag ein kalter Schauer über den Rücken? Dann ist es Dir das Geld vermutlich nicht wert und eigentlich weißt Du das bereits …
  3. Ist es ein Zeitfresser?
    Wenn mit einer Sache Aufwand zusammenhängt, den Du eigentlich auf Dich zu nehmen nicht bereit bist, dann finde eine andere Lösung oder trenn Dich von der Sache. „Collect memories, not things“ lautet die Devise! Und memories sammeln sich sehr viel leichter, wenn Du auch die Zeit dafür hast und nicht von irgendwelchem Kram blockiert wirst, mit dem Du Dich eigentlich gar nicht beschäftigen willst
  4. Ist es ein Platzräuber?
    Steht es Dir im schlimmsten Fall im Weg rum oder kann es durch viel Räumen kaputtgehen? Nimmt es Platz weg, den Du monatlich mit Deiner Miete bezahlst (z. B. in einem Schrank, den Du sonst problemlos abschaffen könntest) oder für das Du extra einen Raum (wie eine Garage, Storage) anmietest? Und wenn ja: Bist Du Dir sicher, dass es Dir das wert ist und Du Dich in keiner Weise darüber ärgerst, dass es Platz in Deinem Leben einnimmt – räumlich wie metaphorisch?
  5. Ist es nützlich?
    Dinge, die man idealerweise täglich, aber mindestens mehrmals im Jahr in Benutzung hat, haben natürlich ihre Daseinsberechtigung. Was herumliegt, zustaubt und darauf wartet, in unbestimmter Zeit einmal wieder hervorgeholt zu werden, sollte doch lieber bei jemand anderem für das genutzt werden, wozu es vorgesehen ist, oder?
  6. Bringt es Dir Freude?
    Bringt Dir die Sache jetzt direkt auf der Stelle oder zumindest in schöner Regelmäßigkeit Freude? Oder bringt es Dir eher „Freude in spe“, wobei nicht sicher ist, ob dieser „in spe“-Zeitpunkt überhaupt jemals eintrifft? Sprich: Wartest Du unentwegt auf diesen einen Moment, wenn es doch mal sein könnte, dass Du es brauchst und dieser Moment wird dann mega schön, aber existiert doch nur in Deiner Vorstellung und hat es noch nicht (oder sehr lange nicht mehr) in die Realität geschafft? Dann springe direkt zu Punkt 7:
  7. Ist es unwiederbringlich?
    Wenn Du eine handsignierte Originalzeichnung von Ralph Ruthe besitzt, die er nur für Dich angefertigt hat, dann omg behalte sie, die kriegst Du nicht so ohne Weiteres wieder! Aber: Wenn es sich um etwas handelt, das Du jederzeit in der Stuff-Cloud kaufen kannst, also das sich auf dem Second-Hand-Markt (ebay-Kleinanzeigen, Flohmarkt, Amazon …) mit nicht gar zu viel Aufwand in gleicher oder sogar besserer Qualität wiederbeschaffen lässt, dann brauchst Du Dir wahrlich nicht den Kopf zu zerbrechen: Gib es in die Stuff-Cloud und wenn Dein Bedarf akut wird, hol es eben wieder zurück. Und wetten, bis dahin wirst Du es gar nicht so sehr vermissen?

Wenn Du an einzelnen Dingen festhängst, helfen Dir diese Fragen vielleicht bei der Entscheidungsfindung.

Daher habe ich sie zu einer kurzen Checkliste zusammengefasst, die Du Dir gerne (kostenlos) herunterladen und zum gegebenen Zeitpunkt einfach hervorziehen kannst. Viel Spaß damit!

Ich wünschte mir im Nachhinein, ich hätte schon früher den Entschluss gefasst und mir vor Augen geführt, was die „kleinen Kosten“ tatsächlich bedeuten. Und das aus Nostalgiegründen bei einem Hobby, das ich aktuell gar nicht aktiv betreibe. Aber hinterher ist man ja immer schlauer 🙂

Wie ist das bei Dir? Betrachtest Du bei Entscheidungen auch die finanziellen Langzeit-Auswirkungen genauer und warst darüber schon einmal überrascht? Oder fällt es Dir allgemein leicht, emotionale Punkte wie die benannte Nostalgie auszuschalten und Dich von Dingen zu trennen, die in Deinem Leben offenkundig keinen Platz mehr haben? Ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen und Gedanken!

7 Kommentare

  1. Yakari

    Meine Frage heißt „Geliebt oder gebraucht?“ (Auf dein Fahrradkörbchen aus einem anderen Artikel würde beides zutreffen, daher machte es dich auch so glücklich.)
    Alles andere sollte gehen; manchmal ist es schwer, das konsequent umzusetzen, aber ich habe keinen Druck. Und mit diesem Motto sollte man auch an Anschaffungen herangehen.
    Ich habe den Finanzrocker-Podcast mit dir gehört und werde mir deine Seite nach und nach zu Gemüte führen – klingt vielversprechend! Viele Grüße!

    1. Liebe/r Yakari, herzlich willkommen auf meinem Blog 🙂 Das ist genau die richtige Frage, die Du stellst. Alles andere müllt nur das eigene Leben zu …
      Weiterhin viel Erfolg beim frugalen Lifestyle!
      Stay tuned,
      Sventja

  2. mysticcat

    Wir haben vor 18 Monaten den Entschluss gefasst, autofrei zu leben. Zu hohen Ersatzteilkosten wären auch neue Reifen gekommen – und das für ein Auto, das zwar bequem aber nicht notwendig war.

    Von den Arbeiten (Service, Werkstatt, Reinigung, Lämpchen tauschen) und der Parkplatzsuche waren wir auch genervt.
    Mein Mann wollte noch mal ins Auto investieren, ich hab mich dagegen gestellt. Und mittlerweile ist er autofrei noch glücklicher als ich 😅.

    Im Sommer haben wir dann einen Kellerraum durchsortiert und uns von vielen Sachen getrennt (verschenkt), weil uns der Aufwand zu groß war. Hat sich in Summe für uns gelohnt.

    Manche Ecken sind aber noch Baustellen – da wird noch beobachtet, was wir aufheben. Und von minimalistisch sind wir weit entfernt.

    1. www.richbitchproject.com

      Dankeschön 🙂 Rechne es einfach mal durch. So viele ungenutzte KFZs stehen in der Gegend rum, das ist unglaublich. Wir wägen auch gerade ab, welche Alternativen es zu eigenen KFZs gibt; Carsharing und so weiter. Noch haben wir nicht das richtige Modell für uns gefunden, aber vielleicht gründen wir einfach eines …

      Stay tuned!

  3. Pingback: Frugalismus im Alltag: wie mir eine einzige Entscheidung mehrere Monatsgehälter sparte – FinanzFeed

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